Freitag, 16. April 2010

Fünf Thesen warum wir ein mäßiges Employer Branding Niveau erleben.

Eine neue Kommunikationssparte ist entstanden: das Employer Branding. Nicht allen gefällt das gut. Zuständigkeiten werden hinterfragt, Abläufe durcheinandergewirbelt, Pfründe bedroht. Wer darf was, was soll das - und wer bezahlt? Mancher malt, wie Prof. Lothar Rolke, ein Schreckgespenst an die Wand, siehe "HR + PR: Warum eine neue Kommunikationssparte entsteht" vom 31. März. Machen jetzt auch noch die HR’ler Kommunikation statt Administration? Bringt das nicht alles durcheinander? Unternehmen haben ohnehin ausreichend mit internen Abstimmungen zu kämpfen.

Wem gehört das Employer Branding?
Das Knowhow für die Arbeitgebermarke hat nur...
... die Unternehmenskommunikation. Weil sie ohnehin jeden Tag für das Unternehmen spricht, zu allem Stellung bezieht und für die gesamte Außendarstellung zuständig ist?
... das Marketing. Hat nur das Marketing eine Ahnung davon, was Markenbildung wirklich bedeutet, welche Agenturen was können und leisten müssen?
... die HR-Abteilung. Versteht nur die HR-Abteilung das Personal wirklich? Kommuniziert nur sie jeden Tag mit Mitarbeitern und Bewerbern und weiß praktisch exklusiv, wie das Unternehmen von den Menschen als Arbeitgeber wahrgenommen wird?
... der Vertrieb. Weil er es ist, der draußen, am POS, mit Mitarbeitern an der Front und den Endverbrauchern spricht? Weil nur er einen ungetrübten Blick auf Unternehmens-, Arbeitgeber-, und Produktimage hat?

Meiner Ansicht nach liegt es nicht am Mangel an HR'lern im Marketing, dass wir derzeit ein eher mäßiges Niveau des Employer Brandings erleben. Warum ist das Niveau so mäßig?

Fünf Thesen:

1 Die Rechte weiß nicht, was die Linke tut
Sowohl nach meinen eigenen Erfahrungen wie auch nach denen meiner Kollegen und Freunde aus der Werbung behaupte ich: In den Unternehmen weiß eigentlich niemand wirklich, was die Fachabteilung nebenan macht. Personalanzeigen werden nicht mit dem Marketing oder mit dem Corporate Branding abgestimmt, Karrierebereiche nicht mit den HR- Abteilungen, die HR-Aktivitäten im Social-Web nicht mit der Unternehmenskommunikation. Das totale Chaos, eigentlich. Wetten?

2 Macht ist wichtiger als Erfolg
Es geht den Fachabteilungen nicht um den Erfolg. Sie wollen ihre Macht erhalten: "The composition of the firm ist not given; it is negotiated. The goals of the firm are not given: they are bargained"(March, 1962, zitiert in Karl Sandner "Prozesse der Macht"). Bedauerlicherweise sind in den größeren Unternehmen viele Kollegen eher damit beschäftigt, ihre Position/Abteilung/Themen zu sichern, als sich einer höheren Idee, bzw. dem Erfolg des Unternehmens zu widmen. Das heißt: Die Fachabteilungen arbeiten nicht nur faktisch nicht zusammen, sie wollen das auch gar nicht.

3 Die Entscheider wollen auch nicht
Arbeitgebermarken bildet man nicht in einem Quartal, sondern über Jahre. Zwar haben Entscheider erkannt, dass eine gute Arbeitgebermarke ein wertiges Ziel darstellt. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht man jedoch einen langen Atem. Nur – irgendwie fühlen sich die Erträge dann immer so soft an, wenig greifbar, schwierig zu messen. Und dann der ganze Stress mit der Harmonisierung der Fachabteilungen!

4 Viele Absichten (heisse Luft also), wenig echte Budgets
Ich höre so oft: Ja wir haben wirklich dringend Bedarf. Und ja, der demographische Faktor schlüge demnächst durch, das hätte man erkannt. Ja, das Web 2.0 sei zwar auch ganz wichtig, aber das koste ja so viel Zeit, so viele Ressourcen! Vor allem ist nicht klar, welche Töpfe wem in diesem Zusammenhang zur Verfügung stehen. Kommt man am Ende zum Schluß, dass man immerhin überhaupt Geld für die Arbeitgebermarke bereitstellen will, werden in Anbetracht der sich anbahnenden Schwierigkeiten lediglich Miniatur-Budgets bereitgestellt.

5 Mit babylonischem Gequatsche werden gute Ideen der Werber zerredet
Entscheidet sich ein Unternehmen schließlich dafür, das Profil der Arbeigebermarke zu schärfen und eine Employer-Branding-Kampagne anzugehen, ist der Weg trotzdem noch lange nicht zu Ende. Dann werden Konzepte monatelang zerredet, denn jeder will nun doch beteiligt werden und fühlt sich plötzlich zuständig. Es wird gebrieft, gedacht, rebrieft, weiter entwickelt und nochmal nachgedacht - und dann bekommt man das, was man eigentlich nicht wollte: Ein austauschbares Etwas, das den Namen "Employer-Branding-Kampagne" nicht verdient. Wenn man irgendetwas so sicher nicht schärft, dann ist das die Arbeitgebermarke.

4 Kommentare:

  1. Zunächst einmal gilt es festzuhalten, dass Thesen schon immer und zu jeder Zeit dazu geeignet sind ein Thema kontrovers zu diskutieren. O.K. bei Luther waren es immerhin 95 Thesen und nicht nur Fünf ☺ und statt der Thesentür an der Schlosskirche zu Wittenberg fungiert heute halt das Internet. Soweit so gut.

    Ob das Employer Branding ein mäßiges Niveau besitzt oder nicht hängt sicherlich zunächst einmal davon ab, was man eigentlich unter Employer Branding versteht, ob man die Arbeitgebermarke eines bestimmten Unternehmens im Auge hat oder einfach pauschal urteilt und wer überhaupt dazu geeignet ist ein gutes von einem mäßigen Niveau zu unterscheiden.
    Fakt ist sicherlich jenseits der Niveau-Frage, dass wir in Deutschland bei dem Thema Employer Branding noch am Anfang stehen und ebenfalls Fakt ist, dass in den Köpfen der Zielgruppen (nicht nur der Konsumenten, sondern auch in den Köpfen potentieller Mitarbeiter) immer noch die Produktmarken dominieren. Aber widmen wir uns doch einmal den Thesen.

    „1. Die Rechte weiß nicht, was die Linke tut!“
    So etwas soll schon mal vorgekommen sein und selten ist das sicherlich auch nicht. „Klarheit und Verbindlichkeit“ sowie „Abstimmung und Zusammenarbeit“ sind die Zauberworte. Die Klarheit und Verbindlichkeit muss sich auf die Verantwortlichkeit, die Befugnisse, den Handlungsspielraum und die Prozesse beziehen. Dass die Vorgaben von CI und CD von Marketing & Communication kommen, keine Frage. Dass sich Personalmarketing mit diesen Abteilungen über Grundsätzliches abstimmt und auch zusammenarbeitet, ebenfalls keine Frage. D.h. aber doch bitte nicht, dass HR für Alles die Genehmigung von Marketing & Communication braucht, sicherlich nicht!!!
    Interessant finde ich in der These dann die Anmerkung, dass die HR-Aktivitäten im Social-Web nicht mit der Unternehmenskommunikation abgestimmt werden. Das mag so sein und sollte vielleicht auch nicht so sein. Fakt ist aber, dass auch Marketing & Communications bezüglich des Social-Web noch eine Menge dazulernen können, wie einige prima Praxisbeispiele aus dem Produktmarketing zeigen. Und eine persönliche Anmerkung sei an dieser Stelle auch gestattet: Ich hoffe nicht, dass Communications tatsächlich glaubt die Kommunikation im Web kontrollieren zu können☺.

    „2. Macht ist wichtiger als Erfolg“
    Macht ist sicherlich immer ein Thema, schlussendlich geht es um Einfluss, Ressourcen und ggf. auch um das persönliche Weiterkommen. Machtstreben ist aber auch menschlich, findet aber sicherlich in unserem Kontext überall dort seine Grenzen, wo es nicht mehr um den gemeinsamen Unternehmenserfolg geht.
    Klar verfolgen Fachabteilungen Egoismen, aber ich kenne keine Abteilung die so altruistisch, ja fast „selbstlos“ unterwegs ist wie HR. Wenn also bei diesem Thema über Macht gesprochen wird, dann kann damit nur Marketing & Communications gemeint sein. Hier geht es um ein zusätzlich strategisches Thema mit Profilierungschancen, um zusätzliche bzw. größere Budgets und um Vieles mehr. Ja, HR möchte in vielen Unternehmen beim Thema Employer Branding mit Marketing & Communications zusammenarbeiten, aber was nützt es, wenn nicht selten genau in diesen Fachabteilungen der Machtinstinkt größer ist als der Wille zum gemeinsamen Erfolg. Kurzum: Nur die gemeinsame Erfolgsorientierung „M“acht mächtig.

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  2. „3. Die Entscheider wollen auch nicht“
    Richtig ist, dass der Aufbau von Arbeitgebermarken nicht von heute auf morgen funktioniert und ebenfalls richtig ist, dass es eine Arbeitgebermarke nicht zum „Null-Tarif“ gibt. Sicherlich ist das Thema Employer Branding, nicht zuletzt durch die Krise und ihre Folgen, etwas in den Hintergrund gerückt, aber durchaus bei vielen Entscheidern immer noch präsent und auf der Agenda. Man sieht sehr wohl die quantitative und qualitative demographische Bedrohung, aber sie wirkt sich Stand heute auf jedes Unternehmen sehr unterschiedlich aus. Während die einen bereits den Fach- und Führungskräftemangel beklagen, erhalten andere Unternehmen aus ihrer Sicht noch ausreichend viele Bewerbungen. Der Druck steigt dann, wenn Positionen nicht mehr qualitativ hochwertig nach besetzt werden können und Top-Performer das Unternehmen aufgrund attraktiver Angebote von Wettbewerbern verlassen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wollen auch die Entscheider. Und was die softigen Erträge angeht, so sind diese gar nicht so softig wie Viele meinen. Besetzungs- und Fluktuationsquoten, Übernahmequoten, Kosten für Vakanzen, Talente im Talentpool etc. lassen sich prima messen und wiegen.

    „4 Viele Absichten (heisse Luft also), wenig echte Budgets“
    Wie bereits gesagt, eine Arbeitgebermarke gibt es nicht zum „Nulltarif“. Der solide Aufbau einer Employer Brand, als auch die Markenführung verbrauchen Ressourcen. Die Budgets sind bei Weitem kleiner als es die Werbebranche sicherlich gewöhnt ist und kleiner, als sich manch Werber dies überhaupt vorstellen kann. Insofern gebührt auch einmal Allen im Personalmarketing Respekt, was sie in Anbetracht ihrer engen Budgets bereits heute bewältigen. Um aber noch mal das Thema „Macht“ aus These 2 aufzugreifen, so wäre die Budgetfrage ein gutes praktisches Beispiel dafür, wie HR und Marketing & Communicaions gemeinsam den Vorstand bzw. die Geschäftsleitung von der Notwendigkeit adäquater Budgets überzeugen könnten. Tja, wenn da nicht bereits im Ansatz die Frage der Budgetverteilung zwischen den Akteuren wäre, ansonsten könnte es ja vielleicht funktionieren☺.

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  3. „5 Mit babylonischem Gequatsche werden gute Ideen der Werber zerredet“
    Zum babylonischen Gequatsche gilt es zu sagen, dass in diesem Fall sich die Akteure völlig einige waren und den Turmbau vorantrieben und lediglich eine höhere Macht für die Sprachverwirrung sorgte. Und was die guten Ideen der Werber angeht, so ist nicht jede Idee brillant. Hier gibt es auch die ein oder anderen Werber, die mit einem hohen Selbstbewusstsein ausgestattet, gepaart mit etwas Arroganz und dem sich selbst verliehenen Nimbus der Kreativität Konzepte präsentieren, die nur ihnen eingängig sind.
    Problematisch bleibt es aber dennoch, insbesondere dann wenn die präsentierten Konzepte richtig gut sind. Es gibt nämlich zwei Dinge im Unternehmen wo sich Jeder berufen fühlt sich zu äußern und bei dem auch nahezu Jeder, gefragt oder nicht gefragt, glaubt mitreden zu können: Personal und Werbung. Insofern kann ich den Schmerz gut verstehen und nachvollziehen. Ganz vermeiden wird man aber dieses Verhalten auch zukünftig nicht, aber mildern kann man das Verhalten schon. Vor der Kampagne stehen nämlich der Aufbau der Arbeitgebermarke und die Positionierung. Ohne Frage eine strategische Aufgabe und Entscheidung, die auch wenn immer möglich von der ersten Ebene „abgesegnet“ werden sollte. Erst dann folgt die Kommunikationsleistung nach Innen und Außen, u.a. ggf. mittels Kampagnen. Versteht man das Thema Employer Branding als eine gemeinsame Aufgabe von HR und Marketing & Communicaions (unter Führung von HR) und geht man die Prozessschritte vom Markenaufbau, der Positionierung bis hin zu den Kommunikationsleistungen gemeinsam, so kann das „babylonischen Gequatsche“ doch zu mindestens stark eingeschränkt, wenn auch nicht gänzlich vermieden werden.
    Und was die Verwässerung bzw. die mangelnden Profilschärfe angeht bleibt der Wunsch, dass Untenehmen bei der Kommunikation ihrer Arbeitgebermarke etwas mehr Mut zeigen und zunehmend von dem Austauschbaren etwas abgehen.
    Die Austauschbarkeit kann man auch einmal im Selbsttest durchführen, indem man z.B. bei 10 Personalanzeigen die Logos, den Firmennamen etc. entfernt und anschließend eine Dritte Person nach den Unternehmen hinter den Anzeigen fragt, viel Spaß dabei☺!

    Prof. Dr. Christoph Beck

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  4. Bravo Herr Beck - ich sehe das ganz genau so. Employer Branding macht eigentlich nur ganzheitlich Sinn und ist damit Querschnittsaufgabe von Marketing, Personal und Kommunikation. Das haben bislang allerdings noch nicht so viele Akteure verstanden. Auf www.embrace-info.de gibt es hierzu auch einige in meinen Augen sinnvolle Aussagen.

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